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Aus der Werkzeugkiste - Der Achtsamkeitskalender

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Für ein Tagebuch hätte meine Disziplin nicht ausgereicht, aber für einen Kalender schon. Also griff ich den Vorschlag meiner Therapeutin in der Suchtklinik auf und gestaltete mir aus einem gewöhnlichen Familienplaner einen Achtsamkeitskalender. Statt der Namen meiner Familienmitglieder, trug ich selbstgewählte Kategorien ein und musste ansonsten nur bunte Punkte kleben. In den ersten Monaten zuhause half es mir sehr, meine Fortschritte nicht nur zu spüren, sondern sie auch sichtbar zu dokumentieren. Da der Kalender "öffentlich" in meinem Büro hing, konnte ihn meine Familie sehen. Besonders meine Tochter betrachtete ihn aufmerksam, zählte mal meine nüchternen Tage durch oder wies mich verschmitzt darauf hin, wenn ich das Punktekleben nicht pünktlich erledigt hatte. Definitiv war der Kalender ein Gesprächsanlass. Im dritten Monat nach der Klinik hatte ich diese Kategorien: Abstinenz gehalten: immer grün gepunktet aktiv gewesen: rot für Faulheit, einmal gepunktet, gelb für

Alkoholikerin - Unwort oder Starthilfe?

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  „Mein Name ist ___________ und ich bin Alkoholikerin!“, so beginnt die klassische Vorstellung in meiner Selbsthilfegruppe. Und sie hat sich eine Zeit lang genau richtig für mich angefühlt. Heute nicht mehr – ich habe ein Problem mit diesem Begriff und mit der Vorstellung, ihn ein Leben lang nicht mehr loszuwerden. Als ich im März 2020 mit dem Trinken aufhörte, begab ich mich in eine Suchtklinik. In der Gruppentherapie sollte man sagen, aus welchem Grund man dort sei. Die gängigen Antworten waren: wegen Alkohol, habe ein Thema mit dem Trinken, bin alkoholabhängig, bin alkoholkrank. Nach meiner Erinnerung nannte sich niemand „Alkoholiker“. Im August desselben Jahres kam ich für eine Intervallbehandlung nochmal zurück in die Klinik. Dieses Mal sagte ich den berühmten Satz. So war es und ich stand dazu. Ich gebe zu, ein Hauch von Arroganz schwang dabei mit. Gelernt hatte ich den Satz in den vier Monaten dazwischen in meiner Selbsthilfegruppe, den Anonymen Alkoholikern. Als ich

Aus der Werkzeugkiste - Das Twowayprayer

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  Das 12-Schritte-Programm, durch das ich gegangen bin, basiert auf Spiritualität, es betont die Bedeutung von Gebet und Meditation und fordert auf, sich Gott anzuvertrauen. Die Geschichte, wie ich es geschafft habe, mich durch dieses Nadelöhr zu zwängen, erzähle ich ein anderes Mal. Sich Gott anzuvertrauen, einer Vorstellung von Gott, wie ich ihn oder sie oder es verstehe. Dieser kleine Nebensatz: wie ich Gott verstehe, ist der klügste, den ich je gelesen habe. Denn er lässt Raum für alle Menschen: Für manche ist es eine religiöse Vorstellung, sie glauben zum Beispiel christlich. Für andere ist es der fast magische Prozess in der Selbsthilfegruppe, wenn Menschen aus ihrer Sucht herauswachsen. Für mich ist es die Vorstellung von einer unbegreiflichen Kraft, die nur Liebe ist, vielleicht eine weibliche Energie. Clare Pooley, eine englische Autorin, erklärte in einem Interview, für sie sei es weniger bei Gott als vielmehr im Internet gewesen, wo sie ihre Antworten fand, als sie auf