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Posts mit dem Label "Arbeitsplatzwechsel" werden angezeigt.

Wie geht Verzeihen? Teil 4: Meine Feindin steht noch auf der Liste

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Mehr zu arbeiten, half nicht. Noch mehr zu arbeiten, half nicht. Mir Arbeiten aufdrücken zu lassen, half nicht. Nett zu sein, half nicht. Die von allen gehassten Aufgaben freiwillig zu übernehmen, half nicht. Als Letzte zu gehen, half nicht. Kuchen mitzubringen, half nicht. Sitzungsthemen gründlich vorzubereiten, half nicht. Teure Schokolade mitzubringen, half nicht. Noch netter zu sein, half nicht. Das Team zu mir nach Hause einzuladen, half nicht. Jedem die Sitzungsunterlagen auszudrucken und hinzulegen, half nicht. Selbstgebackenen Kuchen mitzubringen, half nicht. Klein beizugeben, half nicht. Schleimen half nicht. Nicht aufzumucken, half nicht. Die Revolte zu wagen, half nicht, hatte aber zur Folge, dass ich von nun an mit offener Feindseligkeit behandelt wurde, bis ich geschlagen und gedemütigt das Feld räumte. Diese hübsche Liste der Verzweiflung zählt Strategien auf, die ich über Jahre anwandte, mit den Zielen, anerkanntes und geschätztes Mitglied in meinem Kollegenkreis zu werd...

Vorher - Nachher - ein Tag heute und ein Tag bevor ich aufhörte, zu trinken

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  Vorher- Nachher-Vergleiche in Zeitschriften habe ich geliebt: Eine Frau im Alltagslook wurde neu eingekleidet, frisiert und perfekt geschminkt. Immer war das Ergebnis eine große Verbesserung und die Glückliche strahlte unglaublich gut aussehend in die Kamera.  Das einfache Prinzip, aus Vorher-Nachher-Vergleichen Aufmerksamkeit und Motivation zu ziehen, funktioniert auch bei mir: Ich vergleiche einen x-beliebigen Tag aus meiner Trinkzeit mit einem x-beliebigen Tag heute und schaue genau hin, was sich verändert hat. Das gibt mir Kraft und Hoffnung, auch wenn der Blick auf meine Trinkerzeit zunächst wehtut. Ein Sonntag vor drei Jahren: Ich will zeitig aufstehen, um den freien Tag für etwas Schönes zu nutzen, aber ich bin nicht hochgekommen. Ich habe Kopfschmerzen und einen schlimmen Kater. Samstags trinke ich mehr, weil ja Wochenende ist und ich den freien Sonntag vor mir habe. Ich bin nicht nur müde, sondern erschöpft, depressiv, voller Scham und Schuld, wieder viel zu viel ge...

Tausend Tage nüchtern sein - vom Rettungsschirm zum Lebensstil

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Freiwillig habe ich nicht aufgehört zu trinken. Gezwungen hat mich die Angst, ich könnte alles zerstören und verlieren, was mir lieb und teuer ist: Meine Familie, meine Ehe, meine Arbeit, meinen Lebenssinn, meine Lebensfreude und zum Schluss mich selbst. Den Zeitpunkt, mir und meiner Umgebung einzugestehen, dass ich alkoholabhängig geworden bin, habe ich lange hinausgezögert: Wenn ich den Elefant im Raum beim Namen nenne, muss ich aufhören zu trinken. Jahrelang war ich dazu nicht bereit. Ein Leben ohne Wein war für mich nicht denkbar. Ich wollte weiter trinken: gesellschaftsfähig sein und nicht ausgeschlossen, die Wirkung der ersten Gläser genießen, meinem Verlangen nach Wein nachgeben, mich entspannen, mich belohnen, mich ablenken, betäuben und vergessen. Es ging mir abgrundtief schlecht mit dem Trinken, aber ich hatte keine Vorstellung, wie es ohne Alkohol gehen könnte. Mein Weg in die Nüchternheit begann mit einer Reihe von Bekenntnissen: zuerst gegenüber einer unbekannten Psych...

Wie geht Verzeihen? Teil 2: Meinem alten Arbeitgeber

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  Schon in den ersten zehn Tagen in der Suchtklinik begann ich, mir eine neue Stelle zu suchen.  Meine Therapeutin kam zu dem Schluss, ich würde meine frische  Abstinenz wahrscheinlich nicht halten können, wenn ich nach dem Klinikaufenthalt an meinen alten Arbeitsplatz zurückkehrte.  Ich war nicht nur alkoholabhängig, sondern auch völlig überarbeitet, depressiv und seelisch sehr verletzt. In keinster Weise konnte ich mir vorstellen, dorthin auch nur einen Fuß zurück zu setzen. Die Probleme dort waren die größte Baustelle in meinem Leben, und ich hatte keine günstige Bewältigungsstrategie gelernt. Angst,  Ärger, die Isolation, die Ohnmacht, das zerstörte Selbstwertgefühl, ungerecht behandelt worden zu sein und viele andere zermürbende Gefühle betäubte ich mit Alkohol, jeden Tag, wenn ich von der Arbeit nachhause kam. Ich trank auch zur Entspannung und belohnte mich mit Weißwein dafür, den Arbeitstag hinter mir zu haben. Gegen Ende meines Trinkens brauchte i...