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Mit der Lesebrille fing es an und plötzlich habe ich ein Ersatzteillager - vom Kränkeln, Älterwerden und Schämen

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Im Buchladen stöbern oder in einer schönen Papeterie, mal wieder durch eine Möbelausstellung bummeln oder einen neuen Duft aussuchen... Klingt wunderbar, aber ich werde inzwischen im Sanitätshaus mit Namen angesprochen. Dort tauche ich regelmäßig auf, lege das nächste Rezept vor, entblöße den betroffenen Körperteil zum Maßnehmen und nenne das nächste Ersatzteil mein Eigen. Zum großen Glück habe ich keine lebensbedrohliche Erkrankung. Mich plagen chronisch schmerzhafte Entzündungen, die Gesundheitsmanagement erfordern, mir viel Zeit und Geduld abverlangen und anscheinend meine Übungsfelder für Akzeptanz sind. Denn nichts davon geht mehr weg und alles wird sich mit zunehmendem Alter verschlimmern. Mit gutem Bewegungsfleiß,  bravem Einnehmen der Medikamente und mit dem sachgemäßen Tragen der Ersatzteile kann ich den jetzigen Zustand stabilisieren und möglicherweise anstehende Operationen hinauszögern. Gern sprechen meine Ärzte von Verschleißerscheinungen, je nach ihrem eigenen Geburtsjahr

Sommerreise durch Südengland Teil 3 - der Ladies Lunch in Haywards Heath

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  Nein, der Ladies Lunch ist keine Einladung zum Mittagessen in feiner englischer Damenrunde, sondern so heißt ein AA-Meeting für Frauen, das zur besten Mittagspausenzeit in Haywards Heath stattfindet. Da wollte ich hin. Wir waren inzwischen in unser zweites Cottage auf dieser Reise gezogen und nun in West Sussex, ungefähr auf halbem Weg zwischen London und dem Seebad Brighton. Laut wikipedia gibt es nicht besonders viele Jobs in der Stadt, die meisten der knapp 23 000 Einwohner und Einwohnerinnen arbeiten entweder im Homeoffice oder pendeln in die umliegenden Städte oder zum Flughafen Gatwick. Wirtschaftlich scheint es gut zu gehen, es gibt eine verlässliche Infrastuktur, ein Krankenhaus, eine gute Verkehrsanbindung, viele Einkaufsmöglichkeiten und ein umfassendes Angebot an öffentlichen und eine Reihe an teuren, privaten Schulen. Die Stadt sieht gepflegt aus und scheint eine hohe Lebensqualität zu besitzen. Das erfuhren wir, als wir frühstücken gingen und mit einer Familie am Nachbar

Sommerreise durch Südengland Teil 2 - ein Buchladen und ein Frauenmeeting in Bath

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Ich denke, Frauen trinken anders und Frauen genesen anders als Männer. Es gibt viele Themen rund um die Sucht, die frauenspezifisch sind. Auch ich habe in Frauenmeetings den Schutzraum gefunden und geschätzt. Zuerst nur als Zuhörerin, dann noch viel mehr, als ich den Mut fasste, zu teilen und auch heute noch als Sprecherin, wenn ich mich mit meinen Rollen als trinkende Frau, Ehefrau und Mutter auseinandersetze. Alles was uns heute selbstverständlich erscheint, wie Meetings nur für Frauen und Sponsorinnen für Frauen, mussten sich die Pionierinnen in AA erkämpfen. Noch Jahrzehnte danach bohrten hartnäckige Frauen dicke Bretter, um ihre Anliegen vor Ort durchzusetzen. Nicht wenige Männer sahen keinerlei Notwendigkeit dafür - AA ist auch in dieser Hinsicht ein Ausschnitt der Gesellschaft. Auf meiner Heilungsreise gab es auch gute und sehr hilfreiche Erfahrungen in gemischten Meetings, und ich konnte von vielem profitieren, was Männer teilten. Doch der bedeutendste Teil meiner Genesung hat

Sommerreise durch Südengland Teil 1 - auf den Spuren von Bill W.

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  Im August 1918 stand Bill Wilson auf dem Friedhof der Kathedrale von Winchester vor dem Grabstein eines Soldaten, der mit 26 Jahren gestorben war. Thomas Thetcher war nicht durch ein Gewehr umgekommen, sondern durch Alkohol. Heute wird vermutet, er starb an einer Infektion, die durch kontaminiertes Bier verursacht wurde.  Im August 2023 stehe ich vor diesem Stein und bin unendlich dankbar, dass Bill nicht nur für sich abstinent werden konnte, sondern gemeinsam mit Dr. Bob ein Lebenswerk begann, das im Laufe der Jahrzehnte unzählige Menschen gerettet hat. Mich auch! Mit Bills Erinnerung an die Inschrift auf dem Stein beginnt das Buch "Alcoholics Anonymous". Er sieht in ihr eine Warnung, die er missachtet habe und es muss ihm wichtig gewesen sein, denn er nahm diese Erfahrung in seine Lebensgeschichte in das Buch auf. Die Lebensgeschichten sollten andere alkoholabhängige Menschen inspirieren, denselben Weg zu gehen, der ihm und anderen Gründungsmitgliedern geholfen hatte, vom

Danke fürs Lesen - mein Blog ist ein Jahr alt

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  Ich danke Dir fürs Lesen, für Deine Zeit und für Deine Kommentare. Ich danke Dir für Deine Offenheit, die es Dir möglich macht, Deine Gedanken und Gefühle, selbst schmerzhafte Erfahrungen und Erinnerungen zu teilen, indem Du sie mir schreibst oder als Kommentare auf der Blogseite hinterlässt. Ich danke Dir für Deine Ermunterung, Wertschätzung und Anerkennung und dass Du meinen Horizont weiter machst mit Deinen Anregungen. Ich habe viel gelernt von Deinen Rückmeldungen und Deinen Sichtweisen. Danke auch für Hinweise auf Rechtschreibfehler und nützliche Kritik. Ohne Deine Äußerungen würde es diesen Blog nicht geben. Es würde mir auf die Dauer nicht reichen, zu ahnen, jemand liest das hier still, aber nichts davon mitzubekommen. Nur im Dialog hat es Sinn für mich, dass ich mich an meinen Schreibtisch setze, nachdenke und aufschreibe wovon ich glaube, es könnte nützlich für andere Menschen sein. Wer sind die Menschen, die meine Texte lesen?  So weit ich es weiß, sind es überwiegend AA

Wie geht Verzeihen? Teil 3: Meiner Mutter

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  Liebe Mama, heute wäre Dein Geburtstag, und Du wärst 82 Jahre alt. Kaum vorstellbar für mich, denn in meiner Erinnerung bist Du nicht viel älter als ich heute bin, wenn ich an die letzten Momente Deines Lebens denke: Meine Hand liegt unter Deiner. Du machst immer längere Pausen zwischen Deinen Atemzügen. Dann kommt keiner mehr. Es ist vorbei – Du hast es geschafft.  Oliver und Sabine sind bei mir. Still bleiben wir an Deinem Bett sitzen. Mir kommt es vor, als ließen wir Deine Seele ziehen. Wir lassen die Zeit stillstehen und geben erst eine Stunde später dem Personal Bescheid. Wir drei sind es, die Dich entkleiden und waschen, letzte, liebevolle Berührungen. Es ist tief in der Nacht, als Oliver das Laken über Dich breitet und zum Schluss mit großer Zartheit Dein Gesicht bedeckt. Ein paar Wochen später setzen wir Deine Asche im Friedwald bei, ein Wunsch von Dir. Es entsteht ein entzückendes Foto: Deine drei Enkelkinder sitzen aufgereiht auf Olivers altem Motorrad und blicken kess

Hilft beten? Beten hilft (nicht).

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Also mir schon. Obwohl die Wissenschaft zum dem Ergebnis kommt, beten helfe nicht. Zumindest eine groß angelegte Harvard-Studie von 2006 zog den unbequemen Schluss, dass Fürbitten nicht nur unwirksam sind im Hinblick auf die Vermeidung postoperativer Komplikationen, sondern sogar riskant für die Bedachten werden können, wenn sie wissen, dass für sie gebetet wird.  Wie das? Patienten in 6 US-amerikanischen Krankenhäusern wurden nach dem Zufallsprinzip einer von 3 Gruppen zugeteilt: 604 erhielten ein Fürbittgebet, nachdem sie darüber informiert worden waren, dass sie ein Gebet erhalten können oder nicht; 597 erhielten kein Fürbittgebet, nachdem sie ebenfalls darüber informiert worden waren, dass sie ein Gebet erhalten können oder nicht; und 601 erhielten ein Fürbittgebet und die Information, dass für sie gebetet würde. Das Fürbittgebet wurde 14 Tage lang abgehalten, beginnend am Abend vor der Bypassoperation. Gebetet wurde von Gläubigen dreier unterschiedlicher amerikanischer Kirchengeme