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Posts mit dem Label "Suchtklinik" werden angezeigt.

Wie geht Verzeihen? Teil 4: Meine Feindin steht noch auf der Liste

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Mehr zu arbeiten, half nicht. Noch mehr zu arbeiten, half nicht. Mir Arbeiten aufdrücken zu lassen, half nicht. Nett zu sein, half nicht. Die von allen gehassten Aufgaben freiwillig zu übernehmen, half nicht. Als Letzte zu gehen, half nicht. Kuchen mitzubringen, half nicht. Sitzungsthemen gründlich vorzubereiten, half nicht. Teure Schokolade mitzubringen, half nicht. Noch netter zu sein, half nicht. Das Team zu mir nach Hause einzuladen, half nicht. Jedem die Sitzungsunterlagen auszudrucken und hinzulegen, half nicht. Selbstgebackenen Kuchen mitzubringen, half nicht. Klein beizugeben, half nicht. Schleimen half nicht. Nicht aufzumucken, half nicht. Die Revolte zu wagen, half nicht, hatte aber zur Folge, dass ich von nun an mit offener Feindseligkeit behandelt wurde, bis ich geschlagen und gedemütigt das Feld räumte. Diese hübsche Liste der Verzweiflung zählt Strategien auf, die ich über Jahre anwandte, mit den Zielen, anerkanntes und geschätztes Mitglied in meinem Kollegenkreis zu werd...

Aus der Werkzeugkiste - Der Liebesbrief

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"Wenn man beim Lesen weinen muss, ist es ein guter Brief", sagt meine Tochter, eine versierte und fleißige Liebesbriefschreiberin und Liebesbriefempfängerin. Sie schreibt ihre von Hand in bestens lesbarer Druckschrift, meistens auf die Rückseite selbst gestalteter Karten. Ich schätze die Möglichkeit des Überarbeitens, deshalb schreibe ich meine am Computer und verschicke sie ausgedruckt. Bei meiner Schrift ist schon das ein Ausdruck von Liebe.  Schon immer habe ich Liebesbriefe geschrieben. Die ersten in der Schreibschrift einer Erstklässlerin waren mit Herzchen verziert und gingen an Opa und Oma. Der romantische Liebesbrief kam später in mein Leben mit allen denkbaren Höhenflügen und Jammertälern. Pubertät und Briefeschreiben war bei mir eine explosive Mischung. Auch der angemessene Umgang mit empfangenen Liebesbriefen war für mich ein Lernprozess mit Kummergarantie auf beiden Seiten. Die Variante ohne Worte, die selbst aufgenommene Kassette mit vielsagender Liedauswahl un...

Wie geht Verzeihen? Teil 2: Meinem alten Arbeitgeber

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  Schon in den ersten zehn Tagen in der Suchtklinik begann ich, mir eine neue Stelle zu suchen.  Meine Therapeutin kam zu dem Schluss, ich würde meine frische  Abstinenz wahrscheinlich nicht halten können, wenn ich nach dem Klinikaufenthalt an meinen alten Arbeitsplatz zurückkehrte.  Ich war nicht nur alkoholabhängig, sondern auch völlig überarbeitet, depressiv und seelisch sehr verletzt. In keinster Weise konnte ich mir vorstellen, dorthin auch nur einen Fuß zurück zu setzen. Die Probleme dort waren die größte Baustelle in meinem Leben, und ich hatte keine günstige Bewältigungsstrategie gelernt. Angst,  Ärger, die Isolation, die Ohnmacht, das zerstörte Selbstwertgefühl, ungerecht behandelt worden zu sein und viele andere zermürbende Gefühle betäubte ich mit Alkohol, jeden Tag, wenn ich von der Arbeit nachhause kam. Ich trank auch zur Entspannung und belohnte mich mit Weißwein dafür, den Arbeitstag hinter mir zu haben. Gegen Ende meines Trinkens brauchte i...

Aus der Werkzeugkiste - Die Dankbarkeitsliste

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  Willst Du glücklicher sein? Dann schreib eine Dankbarkeitsliste, jeden Tag, mindestens 5 Punkte und teile sie mit einem Vertrauensmensch! So geht das Grundrezept. Wenn Du Lust hast auf die Varianten, Begründungen, Erfahrungen und unerwarteten Nebenwirkungen, dann lohnt es sich, weiterzulesen.  Wie man sie schreiben kann   Abends oder morgens, von Hand oder am Handy, das hat den Vorteil des schnellen Teilens mit einem Klick. Ein Video oder eine Audioaufnahme sind schöne Varianten. Am Anfang wusste ich nicht so recht, bei wem ich mich eigentlich bedanke, das gute Gefühl war trotzdem da. Heute ist es meine Vorstellung von Gott. Ich schreibe sie abends am Handy und wenn ich zu müde bin, am nächsten Morgen. Manchmal vergesse ich sie, aber selten. Ich teile meine Liste mit drei Freundinnen und meinem Mann und bekomme deren Listen. So oder ähnlich mache ich das seit fast zwei Jahren. Es gibt viele Varianten. Die richtige erkennen wir daran, dass wir sie tatsächlich Tag f...

Be sober - das erste Jahr

  Be sober - be kind - be brave: Sei nüchtern, sei gütig, sei mutig - diesen Spruch habe ich in einem Interview gehört und auch die Idee, ihn auf die ersten drei Jahre der Abstinenz anzuwenden. In meinem ersten Jahr ging es hauptsächlich um das Nüchternsein In unserem Haus fühlte ich mich sicher, denn es war frei von Alkohol. Bevor ich in die Suchtklinik fuhr, hatte ich alle Flaschen, die ich fand, ausgeschüttet und zum Glascontainer gebracht. Es war befreiend, wie Ausmisten mit Marie Kondo, vielleicht etwas weniger glamourös. Immerhin war es nicht nötig, mich zu fragen, ob meine Weinflaschen mich noch glücklich machten: Das Gegenteil war bewiesen. Doch wenn ich meine Trutzburg verlassen wollte, musste ich Sicherheitsvorkehrungen treffen und zum Beispiel die ersten Einkäufe im Supermarkt  in Begleitung meines Mannes machen. Später in der Selbsthilfegruppe bekam ich mit, dass man sich am Telefon beim Einkaufen begleiten lassen kann. Ich habe auch einmal einer Freundin e...