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Posts mit dem Label "Selbstverzeihung" werden angezeigt.

Ein 9. Schritt: nach 15 Jahren Kontaktabbruch bekomme ich meinen Bruder zurück

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Wir sind nur elf Monate auseinander, wir waren als Kinder immer eng miteinander. Wir haben den letzten Willen unserer Mutter gemeinsam durchgesetzt. Wir haben sie bis zu ihrem Tod begleitet. Danach die letzten Dinge für sie getan, und er hat am Schluss das Laken über sie gebreitet. Doch nicht einmal diese gemeinsame Grenzerfahrung konnte verhindern, dass wir uns zwei Jahre später mit solcher Wucht zerstreiten, dass unser Kontakt abbricht und das kalte Schweigen 15 Jahre lang anhält. Heute sind wir liebevoll verbunden, schreiben uns Nachrichten, schicken Fotos, besuchen uns gegenseitig und nehmen liebevoll Anteil an unseren Leben mit Ehepartnern, Kindern, Hunden, Hobbies und Berufen. Mein Bruder ist ein feiner Mensch, und ich genieße jede Zeit mit ihm. Es ist ein Geschenk, ihn und seine Familie wieder in meinem Leben zu haben. Dazwischen liegt eine Wiedergutmachung. Einer der Meilensteine im Zwölf-Schritte-Programm der AA ist der 9. Schritt. Er besagt, wir machen den Schaden wie

Mit der Lesebrille fing es an und plötzlich habe ich ein Ersatzteillager - vom Kränkeln, Älterwerden und Schämen

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Im Buchladen stöbern oder in einer schönen Papeterie, mal wieder durch eine Möbelausstellung bummeln oder einen neuen Duft aussuchen... Klingt wunderbar, aber ich werde inzwischen im Sanitätshaus mit Namen angesprochen. Dort tauche ich regelmäßig auf, lege das nächste Rezept vor, entblöße den betroffenen Körperteil zum Maßnehmen und nenne das nächste Ersatzteil mein Eigen. Zum großen Glück habe ich keine lebensbedrohliche Erkrankung. Mich plagen chronisch schmerzhafte Entzündungen, die Gesundheitsmanagement erfordern, mir viel Zeit und Geduld abverlangen und anscheinend meine Übungsfelder für Akzeptanz sind. Denn nichts davon geht mehr weg und alles wird sich mit zunehmendem Alter verschlimmern. Mit gutem Bewegungsfleiß,  bravem Einnehmen der Medikamente und mit dem sachgemäßen Tragen der Ersatzteile kann ich den jetzigen Zustand stabilisieren und möglicherweise anstehende Operationen hinauszögern. Gern sprechen meine Ärzte von Verschleißerscheinungen, je nach ihrem eigenen Geburtsjahr

Danke fürs Lesen - mein Blog ist ein Jahr alt

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  Ich danke Dir fürs Lesen, für Deine Zeit und für Deine Kommentare. Ich danke Dir für Deine Offenheit, die es Dir möglich macht, Deine Gedanken und Gefühle, selbst schmerzhafte Erfahrungen und Erinnerungen zu teilen, indem Du sie mir schreibst oder als Kommentare auf der Blogseite hinterlässt. Ich danke Dir für Deine Ermunterung, Wertschätzung und Anerkennung und dass Du meinen Horizont weiter machst mit Deinen Anregungen. Ich habe viel gelernt von Deinen Rückmeldungen und Deinen Sichtweisen. Danke auch für Hinweise auf Rechtschreibfehler und nützliche Kritik. Ohne Deine Äußerungen würde es diesen Blog nicht geben. Es würde mir auf die Dauer nicht reichen, zu ahnen, jemand liest das hier still, aber nichts davon mitzubekommen. Nur im Dialog hat es Sinn für mich, dass ich mich an meinen Schreibtisch setze, nachdenke und aufschreibe wovon ich glaube, es könnte nützlich für andere Menschen sein. Wer sind die Menschen, die meine Texte lesen?  So weit ich es weiß, sind es überwiegend AA

Wie geht Verzeihen? Teil 3: Meiner Mutter

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  Liebe Mama, heute wäre Dein Geburtstag, und Du wärst 82 Jahre alt. Kaum vorstellbar für mich, denn in meiner Erinnerung bist Du nicht viel älter als ich heute bin, wenn ich an die letzten Momente Deines Lebens denke: Meine Hand liegt unter Deiner. Du machst immer längere Pausen zwischen Deinen Atemzügen. Dann kommt keiner mehr. Es ist vorbei – Du hast es geschafft.  Oliver und Sabine sind bei mir. Still bleiben wir an Deinem Bett sitzen. Mir kommt es vor, als ließen wir Deine Seele ziehen. Wir lassen die Zeit stillstehen und geben erst eine Stunde später dem Personal Bescheid. Wir drei sind es, die Dich entkleiden und waschen, letzte, liebevolle Berührungen. Es ist tief in der Nacht, als Oliver das Laken über Dich breitet und zum Schluss mit großer Zartheit Dein Gesicht bedeckt. Ein paar Wochen später setzen wir Deine Asche im Friedwald bei, ein Wunsch von Dir. Es entsteht ein entzückendes Foto: Deine drei Enkelkinder sitzen aufgereiht auf Olivers altem Motorrad und blicken kess

Drittes Weihnachten - nüchtern betrachtet

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  Alkohol ist mein geringstes Problem: Weihnachten stresst mich. Nicht weil ich Vorweihnachtsstress mit Geschenkefinden hätte oder einen Marathon an Weihnachtsfeiern bewältigen müsste. Auch nicht weil das Kind als Engel oder Schaf im Krippenspiel mitwirkt. Auch nicht, weil Kinderübergaben in der Patchworkfamilie durchzustehen sind. Die haben wir hinter uns - Gott sei Dank! Nein, ich habe Weihnachtsstress, weil ich meine Erwartungen nicht loslassen kann: E s soll schön sein und festlich mit Deko und gutem Essen. Alle sollen sich wohlfühlen, die Kinder sollen auch Zeit miteinander verbringen und ohne uns. Jedes Familienmitglied soll die perfekte Balance erleben zwischen Zeit für sich selbst aber auch genug Zeit mit der ganzen Familie und für gemeinsame Aktivitäten. Ähnliches gilt auch für die Besuche der weiteren Verwandschaft: Alles schön, alles gut, alle glücklich. Wenn ich das so schreibe, fühlt es sich an, als hätte ich Rollen in einem Edekaweihnachtsfilm verteilt, und ich muss lache