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Posts mit dem Label "Nüchternheit" werden angezeigt.

Sommerreise durch Südengland Teil 1 - auf den Spuren von Bill W.

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  Im August 1918 stand Bill Wilson auf dem Friedhof der Kathedrale von Winchester vor dem Grabstein eines Soldaten, der mit 26 Jahren gestorben war. Thomas Thetcher war nicht durch ein Gewehr umgekommen, sondern durch Alkohol. Heute wird vermutet, er starb an einer Infektion, die durch kontaminiertes Bier verursacht wurde.  Im August 2023 stehe ich vor diesem Stein und bin unendlich dankbar, dass Bill nicht nur für sich abstinent werden konnte, sondern gemeinsam mit Dr. Bob ein Lebenswerk begann, das im Laufe der Jahrzehnte unzählige Menschen gerettet hat. Mich auch! Mit Bills Erinnerung an die Inschrift auf dem Stein beginnt das Buch "Alcoholics Anonymous". Er sieht in ihr eine Warnung, die er missachtet habe und es muss ihm wichtig gewesen sein, denn er nahm diese Erfahrung in seine Lebensgeschichte in das Buch auf. Die Lebensgeschichten sollten andere alkoholabhängige Menschen inspirieren, denselben Weg zu gehen, der ihm und anderen Gründungsmitgliedern geholfen hatte, vom

Wie geht Verzeihen? Teil 3: Meiner Mutter

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  Liebe Mama, heute wäre Dein Geburtstag, und Du wärst 82 Jahre alt. Kaum vorstellbar für mich, denn in meiner Erinnerung bist Du nicht viel älter als ich heute bin, wenn ich an die letzten Momente Deines Lebens denke: Meine Hand liegt unter Deiner. Du machst immer längere Pausen zwischen Deinen Atemzügen. Dann kommt keiner mehr. Es ist vorbei – Du hast es geschafft.  Oliver und Sabine sind bei mir. Still bleiben wir an Deinem Bett sitzen. Mir kommt es vor, als ließen wir Deine Seele ziehen. Wir lassen die Zeit stillstehen und geben erst eine Stunde später dem Personal Bescheid. Wir drei sind es, die Dich entkleiden und waschen, letzte, liebevolle Berührungen. Es ist tief in der Nacht, als Oliver das Laken über Dich breitet und zum Schluss mit großer Zartheit Dein Gesicht bedeckt. Ein paar Wochen später setzen wir Deine Asche im Friedwald bei, ein Wunsch von Dir. Es entsteht ein entzückendes Foto: Deine drei Enkelkinder sitzen aufgereiht auf Olivers altem Motorrad und blicken kess

Tausend Tage nüchtern sein - vom Rettungsschirm zum Lebensstil

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Freiwillig habe ich nicht aufgehört zu trinken. Gezwungen hat mich die Angst, ich könnte alles zerstören und verlieren, was mir lieb und teuer ist: Meine Familie, meine Ehe, meine Arbeit, meinen Lebenssinn, meine Lebensfreude und zum Schluss mich selbst. Den Zeitpunkt, mir und meiner Umgebung einzugestehen, dass ich alkoholabhängig geworden bin, habe ich lange hinausgezögert: Wenn ich den Elefant im Raum beim Namen nenne, muss ich aufhören zu trinken. Jahrelang war ich dazu nicht bereit. Ein Leben ohne Wein war für mich nicht denkbar. Ich wollte weiter trinken: gesellschaftsfähig sein und nicht ausgeschlossen, die Wirkung der ersten Gläser genießen, meinem Verlangen nach Wein nachgeben, mich entspannen, mich belohnen, mich ablenken, betäuben und vergessen. Es ging mir abgrundtief schlecht mit dem Trinken, aber ich hatte keine Vorstellung, wie es ohne Alkohol gehen könnte. Mein Weg in die Nüchternheit begann mit einer Reihe von Bekenntnissen: zuerst gegenüber einer unbekannten Psych

Aus der Werkzeugkiste - Der Liebesbrief

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"Wenn man beim Lesen weinen muss, ist es ein guter Brief", sagt meine Tochter, eine versierte und fleißige Liebesbriefschreiberin und Liebesbriefempfängerin. Sie schreibt ihre von Hand in bestens lesbarer Druckschrift, meistens auf die Rückseite selbst gestalteter Karten. Ich schätze die Möglichkeit des Überarbeitens, deshalb schreibe ich meine am Computer und verschicke sie ausgedruckt. Bei meiner Schrift ist schon das ein Ausdruck von Liebe.  Schon immer habe ich Liebesbriefe geschrieben. Die ersten in der Schreibschrift einer Erstklässlerin waren mit Herzchen verziert und gingen an Opa und Oma. Der romantische Liebesbrief kam später in mein Leben mit allen denkbaren Höhenflügen und Jammertälern. Pubertät und Briefeschreiben war bei mir eine explosive Mischung. Auch der angemessene Umgang mit empfangenen Liebesbriefen war für mich ein Lernprozess mit Kummergarantie auf beiden Seiten. Die Variante ohne Worte, die selbst aufgenommene Kassette mit vielsagender Liedauswahl un