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Kranksein - mein Schönstes als Kind

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Wenn ich ausreichend krank war, um zuhause bleiben zu dürfen, aber nicht so krank, dass ich gelitten habe. Das war mein Kinderparadies: Keine Schule, mich gemütlich einkuscheln, fast unbegrenzt lesen dürfen und als Krönung mit Zuwendung und feinen Krankenspeisen versorgt werden. Das war immer ein kleines Glas (Orangen waren teuer!) frisch gepresster Saft wegen der Vitamine, ein Grießbrei, weil der besser rutscht, manchmal auch Eis, weil das den Hals kühlt und eine selbstgemachte Fleischbrühe mit Nudeln, weil das kranke Kind Kraft braucht. Der Eingang ins Paradies war eine gründliche Prüfung durch zwei kritische Instanzen. Zuerst befragte mich meine Mutter. Ausgestattet mit einem bewährten Grundvorrat an Misstrauen, wollte sie ausschließen, dass keine anderen Gründe für die Beschwerden vorlagen wie Müdigkeit oder gar Schulunlust. Mit diesem vorläufigen Ergebnis wurde die zweite Instanz hinzugeholt. Ihr oblag das letzte Wort über die Frage, ob das Kind zuhause bleiben und gepflegt werden...

Eine Kerze für Annemarie - Beziehungen über den Tod hinaus

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    Ein Geburtstag kommt, ein Datum, das ich nicht vergesse, auch wenn die Person schon lange verstorben ist. Heute zünde ich eine Kerze an. Ich denke an eine Frau, in deren ich Haus ich kam, weil ich mit ihrem Sohn zusammen war und mein eigenes Zuhause keins mehr war. Irgendwas zwischen abgehauen und rausgeschmissen, so würde ich die Umstände beschreiben, unter denen ich mit 17 mein Elternhaus verlassen hatte. Sie war gütig, fürsorglich und liebevoll. Ich mochte sie von Anfang an. Sie wurde eine meiner Ersatzmütter, die ich eine Zeit in meinem Leben brauchte. Später wurde sie meine liebe Schwiegermutter und nach der Scheidung von ihrem Sohn blieben wir noch Jahre in Kontakt, bis es ihr eines Tages nicht mehr möglich war, mich heimlich zu treffen. Nicht ihr Sohn, sondern ihr Ehemann unterband unsere Freundschaft. Sie ist schon viele Jahre verstorben, genau wie meine Mutter, wie mein erster Freund und ein weiterer Freund, der erste Mann, mit dem ich geschlafen habe. Und wie mei...

Wie geht Verzeihen? Teil 3: Meiner Mutter

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  Liebe Mama, heute wäre Dein Geburtstag, und Du wärst 82 Jahre alt. Kaum vorstellbar für mich, denn in meiner Erinnerung bist Du nicht viel älter als ich heute bin, wenn ich an die letzten Momente Deines Lebens denke: Meine Hand liegt unter Deiner. Du machst immer längere Pausen zwischen Deinen Atemzügen. Dann kommt keiner mehr. Es ist vorbei – Du hast es geschafft.  Oliver und Sabine sind bei mir. Still bleiben wir an Deinem Bett sitzen. Mir kommt es vor, als ließen wir Deine Seele ziehen. Wir lassen die Zeit stillstehen und geben erst eine Stunde später dem Personal Bescheid. Wir drei sind es, die Dich entkleiden und waschen, letzte, liebevolle Berührungen. Es ist tief in der Nacht, als Oliver das Laken über Dich breitet und zum Schluss mit großer Zartheit Dein Gesicht bedeckt. Ein paar Wochen später setzen wir Deine Asche im Friedwald bei, ein Wunsch von Dir. Es entsteht ein entzückendes Foto: Deine drei Enkelkinder sitzen aufgereiht auf Olivers altem Motorrad und blic...