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Posts mit dem Label "Scham" werden angezeigt.

Leichtigkeit, Freude und Hoffnung - am Tag nach meinem 5. Schritt

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Mich einem Scan zu unterziehen, in dem es um meine Gefühle geht, möglichst ehrlich, das war die Aufgabe. Meinen Ärger aufzuspüren und meine Ängste, Enttäuschungen, Scham, Verzweiflung, Verwirrung, mein Selbstmitleid und auch, wo ich Schaden angerichtet habe, jemandem ein Leid zufügte. Ich schreibe auf, was ich finde und was mein Anteil daran ist. Und dann suche ich Lösungen. Das nennt man in Zwölfschritteprogrammen den Vierten Schritt. Wenn ich fertig bin, lese ich alles einer Vertrauensperson vor und gebe ihr Raum, sich dazu zu äußern. Dieser Vorgang ist der Fünfte Schritt. Diesen Schritt haben meine Sponsorin und ich gestern gemeinsam unternommen, und es hat vier Stunden gedauert, eine anstrengende und bewegende Zeit für uns beide. Arbeit war das, und sie machte uns beide hungrig und müde. Die fünfte Stunde verbrachte ich mit einem Spaziergang an diesem schönen Ort hier, wo es grün ist und riesige, alte Bäume Schatten und Ruhe spenden. Das Gehen brachte mein Denken in einen guten Flu...

4 Jahre Nüchternheit und Genesung - und was kommt jetzt?

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  "Be sober - be kind - be brave", diesen dreiteiligen Untertitel habe ich meinem Blog gegeben. Mir hat die Idee gefallen, eine treffende Überschrift für jedes der ersten drei Genesungsjahre darin zu sehen. Heute will ich die Geschichten meiner Münzen feiern und davon erzählen, wie mein nächstes Motto lautet für das neue Jahr meiner Heilungsreise. Die erste Münze bekam ich von meiner ersten AA-Freundin, sie hatte mich freundlich angesprochen und herzlich willkommen geheißen, als ich zum allerersten Mal ein AA-Meeting besucht habe. Hingetrieben hatte mich das Bewusstsein, ohne Selbsthilfegruppe schaffe ich es nie, meine frische und noch stark gefährdete Nüchternheit zu bewahren. Da hatte ich die Behandlung in einer Suchtklinik hinter mir und war ungefähr 100 Tage ohne Alkohol. Hingetrieben hatte mich auch die riesige Angst vor einem Rückfall. Voller Scham saß ich zwischen lauter Menschen, die etwas konnten, das ich erst noch lernen musste: ein Leben ohne Alkohol zu führen. Es ...

Immer schön auf Abstand - Mein inneres Kind und ich

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Mein inneres Kind zu umarmen, das sei die nächste Stufe, erklärt mir meine Therapeutin. Ich habe das Gefühl, das könnte ein längerer Weg werden und bin ratlos, wie ich ihn finden kann und unsicher, ob ich das möchte: Die Idee, meinem verletzten, traurigen und wütenden inneren Kind zu begegnen macht mir Angst. Am meisten fürchte ich den völligen Kontrollverlust, wenn ich dieses unberechenbare Wesen in mir freilasse.  Kontrollverlust ist der pure, alles Lebendige erstickende Horror für mich: Als Kind habe ich ihn erlebt durch gewalttätige, sexuell übergriffige und nicht beschützende Erwachsene. Als Patientin im Krankenhaus, wenn ich durch Unfall und schwere Krankheit vollkommen auf fremde Hilfe angewiesen war. Als Alkoholabhängige erlebte ich Kontrollverluste als schlimme und wiederkehrende Folge meiner Sucht, wenn ich nicht mehr wusste, was ich getan, gesagt oder betrunken jemandem geschrieben hatte. Wenn ich mich so benahm, wie Betrunkene es tun: aggressiv oder gleichgültig, hemmun...

Wie geht Verzeihen? Teil 1: Mir selbst

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Der achte Schritt im 12-Schritte-Programm der AA besteht daraus, eine Liste der Personen anzufertigen, denen wir Schaden zugefügt haben. Bei Melody Beattie in „Kraft zum Loslassen“ las ich dazu einen unerhörten Vorschlag: Man solle sich selbst auf diese Liste setzen und zwar an erste Stelle, denn man habe sich selbst vermutlich am meisten geschadet. In meinen Augen ist das revolutionär, denn ich war einen traditionellen Weg durch das AA-Programm gegangen. Dort dreht sich viel um das Zertrümmern des Egos. Die Idee, ein gesundes, sich liebendes Selbst aufzubauen, schimmert nach meinem Eindruck dermaßen sanft durch, dass ich sie kaum wahrnehmen kann. Nun bin ich nicht Angehörige oder Freundin von Alkoholkranken für deren Anliegen Beattie ursprünglich schreibt, sondern selbst alkoholabhängig gewesen und habe Menschen verletzt. Am meisten diejenigen, die ich liebe und die mich lieben: Meinen Mann, meine Tochter, meinen Bonus-Sohn, Mitglieder meiner Herkunftsfamilie und engste Freund...