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Vorher - Nachher - ein Tag heute und ein Tag bevor ich aufhörte, zu trinken

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  Vorher- Nachher-Vergleiche in Zeitschriften habe ich geliebt: Eine Frau im Alltagslook wurde neu eingekleidet, frisiert und perfekt geschminkt. Immer war das Ergebnis eine große Verbesserung und die Glückliche strahlte unglaublich gut aussehend in die Kamera.  Das einfache Prinzip, aus Vorher-Nachher-Vergleichen Aufmerksamkeit und Motivation zu ziehen, funktioniert auch bei mir: Ich vergleiche einen x-beliebigen Tag aus meiner Trinkzeit mit einem x-beliebigen Tag heute und schaue genau hin, was sich verändert hat. Das gibt mir Kraft und Hoffnung, auch wenn der Blick auf meine Trinkerzeit zunächst wehtut. Ein Sonntag vor drei Jahren: Ich will zeitig aufstehen, um den freien Tag für etwas Schönes zu nutzen, aber ich bin nicht hochgekommen. Ich habe Kopfschmerzen und einen schlimmen Kater. Samstags trinke ich mehr, weil ja Wochenende ist und ich den freien Sonntag vor mir habe. Ich bin nicht nur müde, sondern erschöpft, depressiv, voller Scham und Schuld, wieder viel zu viel getrunken z

Aus der Werkzeugkiste - Das Twowayprayer

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  Das 12-Schritte-Programm, durch das ich gegangen bin, basiert auf Spiritualität, es betont die Bedeutung von Gebet und Meditation und fordert auf, sich Gott anzuvertrauen. Die Geschichte, wie ich es geschafft habe, mich durch dieses Nadelöhr zu zwängen, erzähle ich ein anderes Mal. Sich Gott anzuvertrauen, einer Vorstellung von Gott, wie ich ihn oder sie oder es verstehe. Dieser kleine Nebensatz: wie ich Gott verstehe, ist der klügste, den ich je gelesen habe. Denn er lässt Raum für alle Menschen: Für manche ist es eine religiöse Vorstellung, sie glauben zum Beispiel christlich. Für andere ist es der fast magische Prozess in der Selbsthilfegruppe, wenn Menschen aus ihrer Sucht herauswachsen. Für mich ist es die Vorstellung von einer unbegreiflichen Kraft, die nur Liebe ist, vielleicht eine weibliche Energie. Clare Pooley, eine englische Autorin, erklärte in einem Interview, für sie sei es weniger bei Gott als vielmehr im Internet gewesen, wo sie ihre Antworten fand, als sie auf

Im Urlaub ohne Alkohol

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Bevor ich meinen Koffer auspacke: Erstmal die Begrüßungsflasche Wein aus meinem Sichtfeld schaffen, denn sorglos will ich hier meine Urlaubstage verbringen. Sie findet ihren Platz hinten im Geschirrschrank. Der Kühlschrank ist mit Wein und Bier gut gefüllt, aber das stört mich weniger, weil der Alkohol nicht offen herumsteht. Leider gehören die vielversprechenden Bio-Fruchtsäfte zur Minibar: eine kostenlose Begrüßung gibt es nur mit Prozenten. Es ist mein dritter Sommer, seit ich mit dem Trinken aufgehört habe. In meinem ersten hatten wir ein Häuschen in den Niederlanden gemietet, auch hier stand der Begrüßungswein bei unserer Ankunft stramm, sogar gekühlt: In der Pädagogik nennt man so etwas einen „stummen Impuls“: ohne Worte soll eine Handlung ausgelöst werden. Als dieser stumme Impuls mich traf, löste er bei mir aus, dass ich besorgt und ängstlich meinen Mann bat, das Getränk wegzuschütten und am besten die leere Flasche auch gleich loszuwerden. Ich war erst fünf Monate nüchtern u

Tag 858 – seit zwei Jahren und 128 Tagen bin ich ohne Alkohol. Ich habe aufgehört zu trinken und wieder angefangen zu leben.

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Kuss, Piepsi und Twowayprayer - so beginnt mein Tag heute: Mein Mann liegt neben mir und begrüßt mich. Mein Jeden-Morgen-Wunder, denn Weitertrinken hätte irgendwann meine Ehe zerstört.  Piepsi wohnt auf der anderen Seite des Bettes, weil ich mich konsequent um meinen Körper kümmere. Mein Disziplin-Wunder, selten habe ich etwas Gesundes Tag für Tag durchgezogen. Das Twowayprayer ist meine Art, mich mit dem Universum, meiner Höheren Macht, meiner Idee von Gott zu verbinden und mich auf den neuen Tag auszurichten. Mein Kraft-Wunder, unerwartet und wirksam. Piepsi, d iesen albernen aber sprechenden Namen habe ich einem kleinen Gerät gegeben. An dessen Kabelende sitzt ein weiches Mundstück. Das stülpe ich zuerst über die obere Zahnreihe und dann über die untere. Es wird warm und soll meine Zähne dazu bewegen, sich schneller zu bewegen und meine kieferorthopädische Behandlung beschleunigen. 6 Minuten oben und 6 Minuten unten morgens und abends mit Piepsi, der das Ende einer Arbeitseinheit