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4 Jahre Nüchternheit und Genesung - und was kommt jetzt?

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  "Be sober - be kind - be brave", diesen dreiteiligen Untertitel habe ich meinem Blog gegeben. Mir hat die Idee gefallen, eine treffende Überschrift für jedes der ersten drei Genesungsjahre darin zu sehen. Heute will ich die Geschichten meiner Münzen feiern und davon erzählen, wie mein nächstes Motto lautet für das neue Jahr meiner Heilungsreise. Die erste Münze bekam ich von meiner ersten AA-Freundin, sie hatte mich freundlich angesprochen und herzlich willkommen geheißen, als ich zum allerersten Mal ein AA-Meeting besucht habe. Hingetrieben hatte mich das Bewusstsein, ohne Selbsthilfegruppe schaffe ich es nie, meine frische und noch stark gefährdete Nüchternheit zu bewahren. Da hatte ich die Behandlung in einer Suchtklinik hinter mir und war ungefähr 100 Tage ohne Alkohol. Hingetrieben hatte mich auch die riesige Angst vor einem Rückfall. Voller Scham saß ich zwischen lauter Menschen, die etwas konnten, das ich erst noch lernen musste: ein Leben ohne Alkohol zu führen. Es ...

Mit der Lesebrille fing es an und plötzlich habe ich ein Ersatzteillager - vom Kränkeln, Älterwerden und Schämen

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Im Buchladen stöbern oder in einer schönen Papeterie, mal wieder durch eine Möbelausstellung bummeln oder einen neuen Duft aussuchen... Klingt wunderbar, aber ich werde inzwischen im Sanitätshaus mit Namen angesprochen. Dort tauche ich regelmäßig auf, lege das nächste Rezept vor, entblöße den betroffenen Körperteil zum Maßnehmen und nenne das nächste Ersatzteil mein Eigen. Zum großen Glück habe ich keine lebensbedrohliche Erkrankung. Mich plagen chronisch schmerzhafte Entzündungen, die Gesundheitsmanagement erfordern, mir viel Zeit und Geduld abverlangen und anscheinend meine Übungsfelder für Akzeptanz sind. Denn nichts davon geht mehr weg und alles wird sich mit zunehmendem Alter verschlimmern. Mit gutem Bewegungsfleiß,  bravem Einnehmen der Medikamente und mit dem sachgemäßen Tragen der Ersatzteile kann ich den jetzigen Zustand stabilisieren und möglicherweise anstehende Operationen hinauszögern. Gern sprechen meine Ärzte von Verschleißerscheinungen, je nach ihrem eigenen Geburts...

Danke fürs Lesen - mein Blog ist ein Jahr alt

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  Ich danke Dir fürs Lesen, für Deine Zeit und für Deine Kommentare. Ich danke Dir für Deine Offenheit, die es Dir möglich macht, Deine Gedanken und Gefühle, selbst schmerzhafte Erfahrungen und Erinnerungen zu teilen, indem Du sie mir schreibst oder als Kommentare auf der Blogseite hinterlässt. Ich danke Dir für Deine Ermunterung, Wertschätzung und Anerkennung und dass Du meinen Horizont weiter machst mit Deinen Anregungen. Ich habe viel gelernt von Deinen Rückmeldungen und Deinen Sichtweisen. Danke auch für Hinweise auf Rechtschreibfehler und nützliche Kritik. Ohne Deine Äußerungen würde es diesen Blog nicht geben. Es würde mir auf die Dauer nicht reichen, zu ahnen, jemand liest das hier still, aber nichts davon mitzubekommen. Nur im Dialog hat es Sinn für mich, dass ich mich an meinen Schreibtisch setze, nachdenke und aufschreibe wovon ich glaube, es könnte nützlich für andere Menschen sein. Wer sind die Menschen, die meine Texte lesen?  So weit ich es weiß, sind es überw...

Hilft beten? Beten hilft (nicht).

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Also mir schon. Obwohl die Wissenschaft zum dem Ergebnis kommt, beten helfe nicht. Zumindest eine groß angelegte Harvard-Studie von 2006 zog den unbequemen Schluss, dass Fürbitten nicht nur unwirksam sind im Hinblick auf die Vermeidung postoperativer Komplikationen, sondern sogar riskant für die Bedachten werden können, wenn sie wissen, dass für sie gebetet wird.  Wie das? Patienten in 6 US-amerikanischen Krankenhäusern wurden nach dem Zufallsprinzip einer von 3 Gruppen zugeteilt: 604 erhielten ein Fürbittgebet, nachdem sie darüber informiert worden waren, dass sie ein Gebet erhalten können oder nicht; 597 erhielten kein Fürbittgebet, nachdem sie ebenfalls darüber informiert worden waren, dass sie ein Gebet erhalten können oder nicht; und 601 erhielten ein Fürbittgebet und die Information, dass für sie gebetet würde. Das Fürbittgebet wurde 14 Tage lang abgehalten, beginnend am Abend vor der Bypassoperation. Gebetet wurde von Gläubigen dreier unterschiedlicher amerikanischer Kirchen...

Vorher - Nachher - ein Tag heute und ein Tag bevor ich aufhörte, zu trinken

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  Vorher- Nachher-Vergleiche in Zeitschriften habe ich geliebt: Eine Frau im Alltagslook wurde neu eingekleidet, frisiert und perfekt geschminkt. Immer war das Ergebnis eine große Verbesserung und die Glückliche strahlte unglaublich gut aussehend in die Kamera.  Das einfache Prinzip, aus Vorher-Nachher-Vergleichen Aufmerksamkeit und Motivation zu ziehen, funktioniert auch bei mir: Ich vergleiche einen x-beliebigen Tag aus meiner Trinkzeit mit einem x-beliebigen Tag heute und schaue genau hin, was sich verändert hat. Das gibt mir Kraft und Hoffnung, auch wenn der Blick auf meine Trinkerzeit zunächst wehtut. Ein Sonntag vor drei Jahren: Ich will zeitig aufstehen, um den freien Tag für etwas Schönes zu nutzen, aber ich bin nicht hochgekommen. Ich habe Kopfschmerzen und einen schlimmen Kater. Samstags trinke ich mehr, weil ja Wochenende ist und ich den freien Sonntag vor mir habe. Ich bin nicht nur müde, sondern erschöpft, depressiv, voller Scham und Schuld, wieder viel zu viel ge...

Hitlisten - was ich am Nüchternsein so klasse finde

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      Platz 1: morgens nüchtern aufwachen, kein Kater, auch kein seelischer, kein Filmriss Platz 2: ich kann jederzeit Autofahren und da sein, wenn ich gebraucht werde Platz 3: keinen Stoff besorgen müssen Platz 4: keine leeren Flaschen heimlich entsorgen müssen Platz 5: kein Vertuschen, kein Lügen mehr Platz 6: ein Leben ohne Sucht wird greifbar, 365 Tage Realität ohne Alkohol Platz 7: ich kann wieder schlafen, ein- und durch, das volle Programm Platz 8: ich gewinne Lebenszeit Platz 9: ich habe Gewicht verloren Platz 10: ich kann mein Geld für herrliche andere Sachen ausgeben Diese Liste habe ich aufgestellt, als ich meinen ersten Nüchternheitsgeburtstag feierte. Ich schrieb meiner Therapeutin in der Suchtklinik einen Dankesbrief. Das erste Jahr Genesung nochmal an mir vorbeiziehen zu lassen, hat mich gefreut und bestärkt und mit großer Dankbarkeit erfüllt. Ich denke an die Gipfelfotos von strahlenden Bergsteigerinnen, voller Stolz und Freude - so ähn...