Posts

Posts mit dem Label "Genesung" werden angezeigt.

Leichtigkeit, Freude und Hoffnung - am Tag nach meinem 5. Schritt

Bild
Mich einem Scan zu unterziehen, in dem es um meine Gefühle geht, möglichst ehrlich, das war die Aufgabe. Meinen Ärger aufzuspüren und meine Ängste, Enttäuschungen, Scham, Verzweiflung, Verwirrung, mein Selbstmitleid und auch, wo ich Schaden angerichtet habe, jemandem ein Leid zufügte. Ich schreibe auf, was ich finde und was mein Anteil daran ist. Und dann suche ich Lösungen. Das nennt man in Zwölfschritteprogrammen den Vierten Schritt. Wenn ich fertig bin, lese ich alles einer Vertrauensperson vor und gebe ihr Raum, sich dazu zu äußern. Dieser Vorgang ist der Fünfte Schritt. Diesen Schritt haben meine Sponsorin und ich gestern gemeinsam unternommen, und es hat vier Stunden gedauert, eine anstrengende und bewegende Zeit für uns beide. Arbeit war das, und sie machte uns beide hungrig und müde. Die fünfte Stunde verbrachte ich mit einem Spaziergang an diesem schönen Ort hier, wo es grün ist und riesige, alte Bäume Schatten und Ruhe spenden. Das Gehen brachte mein Denken in einen guten Flu...

4 Jahre Nüchternheit und Genesung - und was kommt jetzt?

Bild
  "Be sober - be kind - be brave", diesen dreiteiligen Untertitel habe ich meinem Blog gegeben. Mir hat die Idee gefallen, eine treffende Überschrift für jedes der ersten drei Genesungsjahre darin zu sehen. Heute will ich die Geschichten meiner Münzen feiern und davon erzählen, wie mein nächstes Motto lautet für das neue Jahr meiner Heilungsreise. Die erste Münze bekam ich von meiner ersten AA-Freundin, sie hatte mich freundlich angesprochen und herzlich willkommen geheißen, als ich zum allerersten Mal ein AA-Meeting besucht habe. Hingetrieben hatte mich das Bewusstsein, ohne Selbsthilfegruppe schaffe ich es nie, meine frische und noch stark gefährdete Nüchternheit zu bewahren. Da hatte ich die Behandlung in einer Suchtklinik hinter mir und war ungefähr 100 Tage ohne Alkohol. Hingetrieben hatte mich auch die riesige Angst vor einem Rückfall. Voller Scham saß ich zwischen lauter Menschen, die etwas konnten, das ich erst noch lernen musste: ein Leben ohne Alkohol zu führen. Es ...

Sommerreise durch Südengland Teil 1 - auf den Spuren von Bill W.

Bild
  Im August 1918 stand Bill Wilson auf dem Friedhof der Kathedrale von Winchester vor dem Grabstein eines Soldaten, der mit 26 Jahren gestorben war. Thomas Thetcher war nicht durch ein Gewehr umgekommen, sondern durch Alkohol. Heute wird vermutet, er starb an einer Infektion, die durch kontaminiertes Bier verursacht wurde.  Im August 2023 stehe ich vor diesem Stein und bin unendlich dankbar, dass Bill nicht nur für sich abstinent werden konnte, sondern gemeinsam mit Dr. Bob ein Lebenswerk begann, das im Laufe der Jahrzehnte unzählige Menschen gerettet hat. Mich auch! Mit Bills Erinnerung an die Inschrift auf dem Stein beginnt das Buch "Alcoholics Anonymous". Er sieht in ihr eine Warnung, die er missachtet habe und es muss ihm wichtig gewesen sein, denn er nahm diese Erfahrung in seine Lebensgeschichte in das Buch auf. Die Lebensgeschichten sollten andere alkoholabhängige Menschen inspirieren, denselben Weg zu gehen, der ihm und anderen Gründungsmitgliedern geholfen hatte, vom...

Danke fürs Lesen - mein Blog ist ein Jahr alt

Bild
  Ich danke Dir fürs Lesen, für Deine Zeit und für Deine Kommentare. Ich danke Dir für Deine Offenheit, die es Dir möglich macht, Deine Gedanken und Gefühle, selbst schmerzhafte Erfahrungen und Erinnerungen zu teilen, indem Du sie mir schreibst oder als Kommentare auf der Blogseite hinterlässt. Ich danke Dir für Deine Ermunterung, Wertschätzung und Anerkennung und dass Du meinen Horizont weiter machst mit Deinen Anregungen. Ich habe viel gelernt von Deinen Rückmeldungen und Deinen Sichtweisen. Danke auch für Hinweise auf Rechtschreibfehler und nützliche Kritik. Ohne Deine Äußerungen würde es diesen Blog nicht geben. Es würde mir auf die Dauer nicht reichen, zu ahnen, jemand liest das hier still, aber nichts davon mitzubekommen. Nur im Dialog hat es Sinn für mich, dass ich mich an meinen Schreibtisch setze, nachdenke und aufschreibe wovon ich glaube, es könnte nützlich für andere Menschen sein. Wer sind die Menschen, die meine Texte lesen?  So weit ich es weiß, sind es überw...

Wie geht Verzeihen? Teil 3: Meiner Mutter

Bild
  Liebe Mama, heute wäre Dein Geburtstag, und Du wärst 82 Jahre alt. Kaum vorstellbar für mich, denn in meiner Erinnerung bist Du nicht viel älter als ich heute bin, wenn ich an die letzten Momente Deines Lebens denke: Meine Hand liegt unter Deiner. Du machst immer längere Pausen zwischen Deinen Atemzügen. Dann kommt keiner mehr. Es ist vorbei – Du hast es geschafft.  Oliver und Sabine sind bei mir. Still bleiben wir an Deinem Bett sitzen. Mir kommt es vor, als ließen wir Deine Seele ziehen. Wir lassen die Zeit stillstehen und geben erst eine Stunde später dem Personal Bescheid. Wir drei sind es, die Dich entkleiden und waschen, letzte, liebevolle Berührungen. Es ist tief in der Nacht, als Oliver das Laken über Dich breitet und zum Schluss mit großer Zartheit Dein Gesicht bedeckt. Ein paar Wochen später setzen wir Deine Asche im Friedwald bei, ein Wunsch von Dir. Es entsteht ein entzückendes Foto: Deine drei Enkelkinder sitzen aufgereiht auf Olivers altem Motorrad und blic...

Immer schön auf Abstand - Mein inneres Kind und ich

Bild
Mein inneres Kind zu umarmen, das sei die nächste Stufe, erklärt mir meine Therapeutin. Ich habe das Gefühl, das könnte ein längerer Weg werden und bin ratlos, wie ich ihn finden kann und unsicher, ob ich das möchte: Die Idee, meinem verletzten, traurigen und wütenden inneren Kind zu begegnen macht mir Angst. Am meisten fürchte ich den völligen Kontrollverlust, wenn ich dieses unberechenbare Wesen in mir freilasse.  Kontrollverlust ist der pure, alles Lebendige erstickende Horror für mich: Als Kind habe ich ihn erlebt durch gewalttätige, sexuell übergriffige und nicht beschützende Erwachsene. Als Patientin im Krankenhaus, wenn ich durch Unfall und schwere Krankheit vollkommen auf fremde Hilfe angewiesen war. Als Alkoholabhängige erlebte ich Kontrollverluste als schlimme und wiederkehrende Folge meiner Sucht, wenn ich nicht mehr wusste, was ich getan, gesagt oder betrunken jemandem geschrieben hatte. Wenn ich mich so benahm, wie Betrunkene es tun: aggressiv oder gleichgültig, hemmun...

Kaffeekränzchen auf Zoom - wir feiern meinen dritten Nüchternheitsgeburtstag

Bild
  Neulich an einem Sonntagnachmittag habe ich drei Freundinnen zu einem Damenkränzchen der besonderen Art eingeladen: Ich wollte mit ihnen feiern, dass ich seit drei Jahren ohne Alkohol lebe. Es sind drei wunderbare Frauen aus meiner Selbsthilfegruppe, ebenfalls nüchtern lebend, nur leider mit einem klitzekleinen, geographischen Nachteil behaftet: Sie wohnen in entfernten Winkeln der Republik verstreut und können nicht persönlich auf Kaffee und Kuchen bei mir vorbeikommen. Das macht aber nichts, Zoom ist ja schon erfunden und als fleißige Meetingsbesucherinnen und erfahrene Hostfrauen sind wir mit dem Medium vertraut. Neu ist für uns nur der Einsatz der Technik zum Feiern. Drei Freundinnen und mich dazu macht vier: Vier gut sichtbare, schön große Kacheln auf dem Bildschirm, das sollte passen und zwei Stunden Zeit für uns vier, da sollte genug Raum für unseren Austausch sein. Zur Vorbereitung hatte ich meinen drei Damen eine schöne Einladung und einen Kuchen im Glas geschickt, sodas...