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Wie geht Verzeihen? Teil 1: Mir selbst

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Der achte Schritt im 12-Schritte-Programm der AA besteht daraus, eine Liste der Personen anzufertigen, denen wir Schaden zugefügt haben. Bei Melody Beattie in „Kraft zum Loslassen“ las ich dazu einen unerhörten Vorschlag: Man solle sich selbst auf diese Liste setzen und zwar an erste Stelle, denn man habe sich selbst vermutlich am meisten geschadet. In meinen Augen ist das revolutionär, denn ich war einen traditionellen Weg durch das AA-Programm gegangen. Dort dreht sich viel um das Zertrümmern des Egos. Die Idee, ein gesundes, sich liebendes Selbst aufzubauen, schimmert nach meinem Eindruck dermaßen sanft durch, dass ich sie kaum wahrnehmen kann. Nun bin ich nicht Angehörige oder Freundin von Alkoholkranken für deren Anliegen Beattie ursprünglich schreibt, sondern selbst alkoholabhängig gewesen und habe Menschen verletzt. Am meisten diejenigen, die ich liebe und die mich lieben: Meinen Mann, meine Tochter, meinen Bonus-Sohn, Mitglieder meiner Herkunftsfamilie und engste Freund

Aus der Werkzeugkiste - Der Achtsamkeitskalender

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Für ein Tagebuch hätte meine Disziplin nicht ausgereicht, aber für einen Kalender schon. Also griff ich den Vorschlag meiner Therapeutin in der Suchtklinik auf und gestaltete mir aus einem gewöhnlichen Familienplaner einen Achtsamkeitskalender. Statt der Namen meiner Familienmitglieder, trug ich selbstgewählte Kategorien ein und musste ansonsten nur bunte Punkte kleben. In den ersten Monaten zuhause half es mir sehr, meine Fortschritte nicht nur zu spüren, sondern sie auch sichtbar zu dokumentieren. Da der Kalender "öffentlich" in meinem Büro hing, konnte ihn meine Familie sehen. Besonders meine Tochter betrachtete ihn aufmerksam, zählte mal meine nüchternen Tage durch oder wies mich verschmitzt darauf hin, wenn ich das Punktekleben nicht pünktlich erledigt hatte. Definitiv war der Kalender ein Gesprächsanlass. Im dritten Monat nach der Klinik hatte ich diese Kategorien: Abstinenz gehalten: immer grün gepunktet aktiv gewesen: rot für Faulheit, einmal gepunktet, gelb für

Alkoholikerin - Unwort oder Starthilfe?

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  „Mein Name ist ___________ und ich bin Alkoholikerin!“, so beginnt die klassische Vorstellung in meiner Selbsthilfegruppe. Und sie hat sich eine Zeit lang genau richtig für mich angefühlt. Heute nicht mehr – ich habe ein Problem mit diesem Begriff und mit der Vorstellung, ihn ein Leben lang nicht mehr loszuwerden. Als ich im März 2020 mit dem Trinken aufhörte, begab ich mich in eine Suchtklinik. In der Gruppentherapie sollte man sagen, aus welchem Grund man dort sei. Die gängigen Antworten waren: wegen Alkohol, habe ein Thema mit dem Trinken, bin alkoholabhängig, bin alkoholkrank. Nach meiner Erinnerung nannte sich niemand „Alkoholiker“. Im August desselben Jahres kam ich für eine Intervallbehandlung nochmal zurück in die Klinik. Dieses Mal sagte ich den berühmten Satz. So war es und ich stand dazu. Ich gebe zu, ein Hauch von Arroganz schwang dabei mit. Gelernt hatte ich den Satz in den vier Monaten dazwischen in meiner Selbsthilfegruppe, den Anonymen Alkoholikern. Als ich