Im Urlaub ohne Alkohol
Bevor ich meinen Koffer auspacke: Erstmal die Begrüßungsflasche Wein aus meinem Sichtfeld schaffen, denn sorglos will ich hier meine Urlaubstage verbringen. Sie findet ihren Platz hinten im Geschirrschrank. Der Kühlschrank ist mit Wein und Bier gut gefüllt, aber das stört mich weniger, weil der Alkohol nicht offen herumsteht. Leider gehören die vielversprechenden Bio-Fruchtsäfte zur Minibar: eine kostenlose Begrüßung gibt es nur mit Prozenten.
Es ist mein dritter Sommer, seit ich mit dem Trinken aufgehört habe. In meinem ersten
hatten wir ein Häuschen in den Niederlanden gemietet, auch hier stand der
Begrüßungswein bei unserer Ankunft stramm, sogar gekühlt: In der Pädagogik
nennt man so etwas einen „stummen Impuls“: ohne Worte soll eine Handlung
ausgelöst werden. Als dieser stumme Impuls mich traf, löste er bei mir aus,
dass ich besorgt und ängstlich meinen Mann bat, das Getränk wegzuschütten und
am besten die leere Flasche auch gleich loszuwerden. Ich war erst fünf Monate
nüchtern und noch voller Angst vor einem Rückfall. Eine Woche später, die erste
Zwischenreinigung, Wechseln der Handtücher und ein neuer stummer Impuls: Statt
sie wegzuschütten, schenkten wir einer Nachbarin die Flasche Wein. Vor dem
nächsten Wäschewechsel schrieben wir den Vermietern eine Mail, dass wir keinen weiteren Alkohol möchten und dieses Mal stellte
der Housekeeper eine Flasche Holunderblütensirup hin. Eine Freude war das und
die Basis für einige leckere Mixgetränke. Im Jahr darauf waren wir wieder in
dem Häuschen an der Vechte: Fruchtsaft und Sirup standen bereit. Danke an
unsere aufmerksamen Gastgeber.
Natürlich zum Cocktail. Als Alternative höchstens Bier. Wir werden
mit unserer Bestellung eines nicht alkoholischen Getränkes erst gar nicht
verstanden. So muss der Wunsch laut und deutlich wiederholt werden vor den
anderen, sonst trinkenden Gästen. Gut, wenn man schon gefestigt im Nichttrinken
ist. Es kommt ein Getränk, das genau wie alle anderen aussieht. Ich probiere,
es schmeckt lecker, aber ich trinke es nicht aus, vertraue nicht.
Ich überlege, ob es wohl
besser gewesen wäre, vor unserer Ankunft mitzuteilen, wir sind Nichttrinker,
genau wie wir angegeben hatten, vegetarisch essen zu wollen. Der Wunsch für's Essen wurde extra
vorher abgefragt.
Ein echter Wohlfühlmoment. Zum Glück stört es meinen Mann
nicht, für einen Ex-Alki gehalten zu werden und zum Glück bin ich stabil
nüchtern und einigermaßen gelassen. Trotzdem habe ich an den beiden nächsten Tagen den
Apero geschwänzt.
Ich stelle mir vor, wie ein begeisterter Chef des Hauses
schöne Reihen Kokslinien auf Spiegeln serviert oder seinen Gästen die Vorzüge
handgerollter Zigarren anpreist und jeder mal zieht, damit man sich im Urlaub so
richtig entspannt und gleich Kontakt zu den anderen Gästen aufbaut. „Das Koks
ist beste Qualität, das importiere ich selber und der Tabak, echt Bio aus
Deutschland, den baut ein guter Freund von mir an, der sucht jedes einzelnes Blatt aus. Koksen und rauchen, das gehört zu einem guten Essen einfach dazu, oder Leute was meint
Ihr?“
Ich spinne die Idee weiter und vermute ab 5 Sternen darf man
eine kleine Auswahl Rauschpilze erwarten: In einem Körbchen hübsch angerichtet
– als liebe Geste für die geschätzten Gäste.
Nachmittags wird auf der Terrasse Kaffee und Kuchen serviert: „Heute gibt es Rotweinkuchen, der geht natürlich nicht für euch, aber Karotten-Zitronenkuchen haben wir auch!“ Jetzt fühle ich mich in Kinderzeiten zurückversetzt, als meine Mutter darüber wachte, ob ich meine Diät einhalte. Immerhin sickert die Information langsam durch, wir meiden Alkohol. Der Apero ist inzwischen auch für uns eine nette Veranstaltung geworden. Ohne weitere Diskussionen bekommen wir jedes Mal eine hübsch anzusehende und lecker schmeckende Alternative. Manche davon sind so gut, dass wir sie zuhause auch mal genießen werden.
Nächster Risotto-Dienstag: Der Koch ist aus dem Urlaub zurück und noch nicht ganz auf dem laufenden: „Wie streng nehmt ihr das mit dem Alkohol? Weil im Risotto braucht’s den Weißwein.“ Geduldig bestätigt mein Mann, wir nehmen es tatsächlich streng. „Gut dann eben Pasta!“ Mit dieser Alternative sind wir mehr als zufrieden.
Was ich mir wünsche von Gastgebern:
Sensibilität:
Ein einfaches Nein sollte genügen. Niemand sollte sich erklären müssen, keinen Alkohol zu wollen.
Das Ferienhaus nicht ungefragt mit Alkohol bestücken, bei der Buchung können die Gäste sensibel und diskret nach ihren Wünschen gefragt werden.
Diskretion:
Solange Alkoholprobleme noch als anrüchig gelten, möchte ich
keine Diskussionen über Alkohol in Speisen vor der versammelten Gästeschar
führen.
Alternativen:
Alkoholfreie Varianten gleichwertig und von sich aus anbieten.
Phantasievolle Küche, in der Aromen ohne Alkohol auskommen und Köche und Köchinnen, die Lust haben, Alternativen auszuprobieren.
Alles Liebe und Gute
Juna
PS: Was sind Deine Erfahrungen mit Alkohol im Urlaub und was hat dazu beigetragen, dass Du Urlaub ohne Alkohol als erholsam und genussvoll empfunden hast?
PPS: Und wenn Du ein gutes Risotto-Rezept ohne Weißwein kennst, freue ich mich, wenn Du es mir verrätst.
Danke, Juna, Du bringst es auf den Punkt mit Deiner Beschreibung der alkoholischen Begrüßung - wieso ist das so? Wieso lockt auch jedes besondere Hotelarrangement immer mit dem Glas Sekt? Wieso wird ganz offensichtlich nur die Flasche Wein oder Sekt als wertig angesehen und nicht auch eine Flasche bestem Saft oder alkoholfreiem Prisecco?
AntwortenLöschenEin Urlaub ohne Alkohol war für mich besonders genussvoll, wenn ich einfach nur mit einem Glas Wasser ein wunderbares Essen genieße. Wenn ich den Abend vier verschiedene Fruchtsäfte auf der Terrasse trinke - statt an einer Flasche Wein zu hängen. Weil ich den nächsten Morgen so viel leichter und fröhlicher begrüße.
Und Dein Bild mit den Kokslinien, mit den Zigarren ... ich muss jetzt noch in mich reinschmunzeln und habe herzhaft lachen können.
Risotto ohne Weißwein? Na klar - wir nehmen einfach Zitrone für die Säure. Aber da gibt es vielleicht auch noch andere und raffiniertere Varianten.
Hoffentlich gibt es hier bald wieder was zu lesen! Das macht Mut, Freude und regt an Deine Posts zu lesen.
Ich kann mich nur anschliessen... es macht Mut diesen Blog zu lesen. Koks und Pilze....🤣 ich musste so schmunzeln .... und mal wieder exakt auf den Punkt gebracht liebe Juna👍
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