5. Schritt - Ich mache eine Reise
Keine touristische, keine, um Verwandte zu besuchen und auch keine berufliche, sondern eine, die im besten Fall eine spirituelle Reise werden könnte. Ich reise zu meiner Sponsorin, um mit ihr den 5. Schritt zu arbeiten. Bei meinem ersten 5. Schritt habe ich meine damalige Sponsorin zu mir nach Hause eingeladen. Ein paar Stunden Zugfahrt, dann war sie da, und wir gingen den großen Schritt gemeinsam. Dieses Mal ist es umgekehrt, und ich fahre hin. Um genau zu sein, ich fliege hin. In die USA, denn dort wohnt sie. Und mein Gedankenkarussell dreht fast durch.
Viele meiner Auslöser werden auf einmal gedrückt durch dieses Projekt:
Darf man das? Ich will nicht auffallen und schon gar nicht durch Extravaganz.
Darf ich das? Nur für mich allein so viel Geld ausgeben? Ist das ein Egotrip?
Schaffe ich das ? Alles auf Englisch, dazu noch zwei Inlandsflüge und eine lange Busfahrt, was wenn mein Koffer verloren geht oder ein Anschluss nicht klappt und ich im Nirgendwo strande?
Wie wird das? Ich habe meine Sponsorin noch nie in echt gesehen, ebenso wenig meine beiden EDA-Freundinnen, die ich auch noch besuchen will. Was, wenn wir alle anders sind, als wir uns von den Videokonferenzen her kennen? Werde ich dicker aussehen, als sie erwartet haben?
Bin ich lästig? Ich habe mich praktisch selbst eingeladen und wahrscheinlich bringe ich vor Ort einiges durcheinander. Ich muss auch abgeholt und gebracht werden zu meinen vier verschiedenen Flughäfen. Ich mache Umstände, ich verursache Kosten. Was, wenn ich schnarche?
Was bringe ich mit? Was, wenn sie es nicht mögen?
Darf ich das annehmen? Ihre freundlichen Angebote, Fahrdienste zu leisten? Ihre großzügige Bereitschaft, mich zu beherbergen? Ihre spontane Begeisterung, alles stehen und liegen zu lassen, wenn ich komme?
Kann ich das annehmen? Nachdem ich geprüft habe, ob ich es darf?
Reicht meine Kraft? Ich werde vermutlich mit Jetlag meine Arbeit wieder aufnehmen, einen Tag nach meiner Rückkehr.
Bringt der ganze Aufwand was? Oder lade ich die kleine Reise unnötig mit großen Erwartungen auf?
Bin ich eigentlich komplett im Drama oder ist hier irgendwo noch ein übersehener vernünftiger Gedanke?
Diese aufgewirbelte Mischung aus mehr oder weniger begründeten Ängsten, alten Glaubenssätzen, Fluchtgedanken, Gefühlen, die noch gar nicht verletzt worden sind, es aber werden könnten, Vorfreude, Hoffnung auf Fortschritt in meiner Genesung, Reisefieber und Abenteuerlust musste sich erstmal beruhigen.
Am meisten geholfen hat mir die Verletzlichkeit und Ehrlichkeit meiner Sponsorin und mehrtägigen Gastgeberin, die sich ein Herz fasste und einige Punkte offen ansprach, die es vor meiner Ankunft zu klären galt. Das hat sie in dieser Weise noch niemals vorher so gehandhabt. Ich war tief berührt und sehr erleichtert, weil auch meine Bedenken aus dem Weg geräumt werden konnten. Die Klarheit, die sie geschaffen hat, gibt uns beiden Sicherheit. Wir haben uns in diesem Gespräch das Versprechen gegeben, es sofort zu sagen, wenn eine Irritation auftreten sollte. Diese liebevolle Aufrichtigkeit, die unseren althergebrachten Konventionen widerspricht, kenne ich von Freundinnen in AA und jetzt auch in EDA: Das Programm macht es möglich, wenn wir es im täglichen Leben anwenden und ehrlich sind.
Das Gespräch machte mir Mut, nun meine Fragen auch mit den beiden anderen Freundinnen aktiv zu klären: Passt dir dieser oder jener Flughafen besser, um mich abzuholen? Wenn Plan A nicht klappt, darf ich dann als Plan B länger bei dir bleiben? Konkrete Vorschläge für Mitbringsel zu machen: Wir sind in einem Programm, weil wir Essstörungen haben, da finde ich es gut, zu klären, ob Schokolade gern gesehen ist und falls ja, welche. Und mich hat es gedrängt, auch über Geld zu reden: Darf ich mich an Kosten beteiligen?
Geholfen hat mir auch, mich an zwei wesentliche Grundsätze zu erinnern, die ich zwar schon tausendfach gehört und gelesen habe, die mir aber oft gerade dann nicht einfallen, wenn ich sie am meisten brauche: Akzeptanz und Vertrauen.
Ich habe die Flüge gebucht und bezahlt, und damit endet meine Kontrolle über diese Reise. Keine noch so sorgfältige Vorbereitung und Planung ändert etwas an dieser Tatsache.
Je größer mein Vertrauen in meine Höhere Macht, desto besser wird es mir gelingen, mich einzulassen auf den Fluss des Lebens und anzunehmen, was mir begegnet.
Eine gut geölte Kreditkarte und ein paar verlässliche Notfallnummern widersprechen dem ja nicht.
Ich danke Dir fürs Lesen und freue mich, wenn Du
wiederkommst.
Alles Liebe und Gute
Juna
PS: „If it scares you, it might be a good thing to try.“
Seth Godin
(Wenn es dir Angst macht, ist es vielleicht eine gute Sache, es zu versuchen.)
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